Mittwoch, 31. Juli 2013

Sergej Lukianenko: Wächter der Nacht

Wächter der Nacht
Sergej Lukianenko

Taschenbuch: 528 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (2. September 2005)
ISBN-13: 978-3453530805


Klappentext

Seit Menschengedenken gibt es die sogenannten »Anderen«: Vampire, Gestaltwandler, Hexen, Schwarzmagier. Unerkannt leben sie in unserer Mitte und sorgen dafür, dass das Gleichgewicht zwischen den Dunklen Anderen und den Hellen Anderen gewahrt bleibt. Zwei Organisationen, den »Wächtern der Nacht« und den »Wächtern des Tages«, obliegt es, den vor langer Zeit geschlossenen Waffenstillstand zu überwachen und jegliche Verstöße zu ahnden. Doch es heißt, dass ein mächtiger Anderer kommen wird, der die Fähigkeit besitzt, das Gleichgewicht der Kräfte für immer zu verändern. Und sollte er sich auf die Seite des Bösen schlagen, würde dies die Welt ins Chaos stürzen ...


Frankys Kritik

Ich hatte den gleichnamigen Film gesehen, der mir wegen seiner Andersartigkeit zum Hollywood-Einerlei und seiner großartigen Atmosphäre sehr gefallen hatte. Was lag also näher, als sich auch der Romanvorlagen anzunehmen?

Das Buch gliedert sich in drei Geschichten, deren Zusammenhänge sich nicht auf den ersten Blick erschließen, auch wenn der Hauptprotagonist Anton (und Ich-Erzähler) in allen drei Storys derselbe ist. Das liefert dem Leser den Vorzug von drei Spannungsbögen und drei Höhepunkte, wobei erst der dritte Aufschluss über die Zusammenhänge innerhalb der drei Geschichten liefert. Wobei Lukianenko die Spannung bis auf die letzten Seiten hin auszukosten vermag, was den Leser fordert, gegen Ende besonders aufmerksam zu lesen, um die nicht immer einfachen Handlungsauflösungen zu durchblicken.

In der ersten Geschichte „Das eigene Schicksal“ soll der Ermittler der Nachtwache, Anton, den Jungen Jegor vor einem wildernden Vampierpärchen beschützen, da dieser womöglich der prophezeite mächtige Andere sein könnte. Dabei begegnet Anton durch Zufall eine mit einem Fluch beladene Frau. Dieser Fluch scheint derart mächtig zu sein, dass er eine globale Katastrophe auslösen könnte.

In der zweite Geschichte „Der eigene Kreis“ wird Anton für Morde an dunklen Anderen beschuldigt, die aber von einem bislang unbekannten Anderen verübt wurden, der noch keiner Seite zugehörig ist. Anton tauscht mit der Zauberin Olga die Körper, um unbehelligt weiter ermitteln zu können und findet heraus, dass der Junge Jegor das nächste Ziel des Mörders sein könnte.

Die dritte Geschichte „Im eigenen Saft“ führt das Buch zum großen Finale, in dem Jegors Zukunft durch die Schicksalkreide umgeschrieben werden könnte, sodass er wirklich zum erwarteten Erlöser für die lichten Anderen werden würde. So entbrennt ein erbitterter Kampf um jene Kreide, der eine überraschende Lösung des Konfliktes bereithält.

Dass Gut und Böse nicht unbedingt mit Dunkel und Hell übereinstimmen muss, hebt sich bereits schnell wohltuend hervor, macht dem Leser eine Identifizierung aber nicht unbedingt leichter. Zudem breitet Lukianenko eine völlig eigenständige Welt aus, in die der Leser einzutauchen vermag, wenn er bereit ist, sich darauf einzulassen. Im Mittelpunkt steht das Zwielicht, eine Art Parallelwelt, die sich durch den Eintritt in den eigenen Schatten betreten lässt – wenn man ein Anderer ist – und aus der die Anderen ihre Kräfte schöpfen. Die vielfach angestellten Vergleiche mit Herr der Ringe sind völlig an den Haaren herbeigezogen und auch mit einem Harry Potter haben die Wächter außer der magischen Begabung rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil. Lukianenko beschäftigt sich auch auf der Seite der Anderen hauptsächlich mit den grundsätzlichen Fragen des Lebens und der Existenz. Das gestaltet das Buch weit weniger phantastisch, als sich die Geschichte im ersten Moment anhören mag, und gibt dem russischen Realismus mehr Spielraum als exotischer Fantasy, was ich persönlich als äußerst angenehm empfinde. So fieberte ich der Fortsetzung mit großer Erwartung entgegen.

Verfilmt unter dem Buchtitel „Wächter der Nacht“ wurde im Übrigen nur die erste Geschichte dieses Buches, dazu noch relativ frei. Die Handlung der zweiten und dritten Geschichte wurde im Fortsetzungsfilm „Wächter des Tages“ verfilmt, der somit zwar den Titel des zweiten Wächterromans Lukianenkos trägt, mit diesem aber überhaupt nichts zu tun hat.



Mittwoch, 24. Juli 2013

Simon Rhys Beck: Jungs sind auch Mädchen

Jungs sind auch Mädchen
Simon Rhys Beck

Taschenbuch: 144 Seiten
Verlag: Production House GmbH - 
Abteilung Himmelstuermer;
Auflage: 1., Aufl. (1. September 2003)
ISBN-13: 978-3934825314


Klappentext

Robbie ist 15 und schwul. Aber das ist nicht sein Problem. Er hat einen tollen Bruder, nette Freunde und verständnisvolle Eltern. Sein Problem ist ˆ Yan. Der neue Junge in seiner Klasse. Denn wenn Yan in der Nähe ist, hat Robbie Herzrasen und weiche Knie. Zu allem Überfluß traut er sich nicht, Yan anzusprechen, und es passieren eine ganze Menge größere und kleinere Katastrophen. Als Yan schließlich erfährt, wie Robbie für ihn empfindet, verstrickt er ihn in ein merkwürdiges Spiel, in dem offensichtlich nur er die Spielregeln kennt. Und erst als Robbie alles auf eine Karte setzt, versteht er, was mit Yan los ist. Der hat nämlich Angst ...


Frankys Kritik

Wieder mal ein kurzes Buch, das sich flott und einfach lesen lässt. Als Jugendbuch durchaus geeignet, auch wenn der Autor an keiner Stelle ein Blatt vor den Mund nimmt. Auch aus diesem Grund wirkt die Geschichte erfrischend direkt. Ein anderer Rezensent schrieb einmal: „Vielleicht zu schön für die Realität“, und dem kann ich mich nur anschließen. Denn Robbie erhält sowohl von Bruder, Eltern als auch seinen beiden besten Freundinnen verständnisvolle Rückendeckung. So ist „Jungs sind auch Mädchen“ keine Coming Out Buch im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Geschichte über die (erste) Liebe, die hier auch mal unter Jungs erzählt werden darf. Dass dabei auch die Eckpunkte schwuler (In-)Toleranz berührt werden, ist leider nur natürlich, denn die Gesellschaft ist auch heute noch nicht so weit, wie es Robbies Familie bereits ist. Insgesamt ein Buch, das sich mit Vergnügen lesen lässt.



Dienstag, 16. Juli 2013

Christian Kleinau: Eine Woche MafiaN@t



Eine Woche MafiaN@t
Christian Kleinau

Broschiert: 277 Seiten
Verlag: Fischer Rita G.; Auflage: 1., Aufl. (25. Januar 2008)
ISBN-13: 978-3830111245


Klappentext

Michel, ein elfjähriger Junge der in einer Kleinstadt im Ruhrgebiet lebt, hat sich im IRC-Chat zu einem Treffen verabredet. Obwohl er Mike nur aus dem anonymen Chat kennt, entschließt er sich dennoch ihn zu treffen. Hat sein Tag ganz normal begonnen, so endet der Tag gänzlich anders, als er es vorhergesehen hat. Zuerst scheint seine Verabredung mit Mike ganz normal zu verlaufen, bis zu dem Moment wo Michel sich entschließt, ihn in seine Wohnung zu begleiten. Von dort wird er nach Belgien entführt und muss erkennen, dass er sich in den Fängen einer internationalen Organisation befindet, die professionell mit Kindern, Waffen und Drogen handelt. Nachdem er sich fast aufgegeben hat, wird ein weiterer Junge entführt und zu ihm in das Verlies gebracht.....


Frankys Kritik

Das Positive zuerst: Spannend ist der im Selbstverlag (Rita G. Fischer ist ein Druckkostenzuschussverlag, bei dem der Autor die Veröffentlichung und den Druck seiner Bücher aus eigener Tasche bezahlt) herausgebrachte Roman durchaus. Auch die Geschichte und das Setting geben sich interessant und können fesseln.

Dass die Geschichte eher für jugendliche Leser gedacht ist, erfährt man allerdings nur auf der Homepage des Autors. Das erklärt zumindest die sehr einfach gehaltene Sprache, entschuldigt aber nicht die Defizite des textlichen Aufbaus. Sehr häufig verzichtet der Autor auf Beschreibungen und beschränkt sich auf die Nennung von Markennamen von Kleidung und Autos, oder belässt es bei einfachen Vergleichen: „sieht aus wie Jake Lloyd in Star Wars“. Auch der Versuch, in Wörtlicher Rede die Sprache eines Elfjährigen darzustellen, wirkt stellenweise ebenso bemüht, wie die dargebotene Gedankenwelt des Jungen. Einerseits als hochintelligent beschrieben vermisst der Leser diese Eigenschaften doch öfters in Worten und Taten des Jungen. So manche Entscheidung und Handlung des entführten Jungen erübrigen sich in seiner gebetsmühlenartig wiederholten Erklärung, er hätte es ja versprochen.

Es gelingt dem Autor auch leider nicht, die handelnden Personen zu jeweils eigenständigen Figuren wachsen zu lassen. Zu häufig ähneln sich die Individuen innerhalb der Gruppen, sind untereinander austauschbar. Das nimmt der Geschichte und den Protagonisten damit auch die Möglichkeit, sich zu entwickeln und innere Konflikte zu erkennen und zu lösen. Deshalb bleibt der Roman weit mehr an der Oberfläche eines – zugegeben – spannenden Abenteuers, als es das Thema zugelassen hätte. Das ist schade, denn die Geschichte hätte größeres Potential.











Dienstag, 9. Juli 2013

Doris Lessing: Ben in der Welt

Ben in der Welt
Doris Lessing

Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Verlag: Hoffmann und Campe (März 2000)
ISBN-13: 978-3455043945


Klappentext

Die Fortsetzung des Romans "Das fünfte Kind": Ben, das fünfte Kind der Lovatts, war ein aggressiver, destruktiver Junge. Seine Mutter versuchte seine tyrannische Wut zu bändigen, doch am Ende stand die Zerstörung der Familie, und Ben zog mit einer Gruppe gewalttätiger Jugendlicher hinaus in die Welt. Nun ist Ben erwachsen geworden. Allein und unfähig, auf sich gestellt sein Leben zu bewältigen, ist er ein hoch explosives Bündel aus ungestillten Bedürfnissen und Frustrationen. Er fühlt sich orientierungslos und hasst die Menschen, obwohl er Nähe sucht. Sein Außenseitertum wird jedoch von wenig skrupulösen Geschäftsleuten schamlos ausgenutzt, denn seine kindliche Gier macht ihn angreifbar und zugleich verletzlich.


Frankys Kritik

Und nochmal eine Fortsetzung. Zumindest wusste ich diesmal, worauf ich mich einzulassen hatte. Im Vorgängerbuch verließ Ben seine Familie mit vierzehn Jahren, als er sich einer gewalttätigen Jugendgang anschloss und so verloren wir ihn aus den Augen. Nun sind vier oder fünf Jahre vergangen. Ben ist inzwischen 18 Jahre alt – wenn man seinen eigenen Aussagen Glauben schenken kann – wird aber von jedermann für über 30 gehalten. Wir erfahren von seinen Bemühungen, sich in die Gesellschaft zu integrieren, und von seinem ständigen Scheitern. Seine überbordenden Aggressionen hat Ben unterdessen unter Kontrolle bekommen, auch wenn es für ihn einen ständigen und anhaltenden inneren Kampf bedeutet. Anzeichen dafür ist seine unbändiges Verlangen nach Fleisch. Andere Nahrung verweigert Ben fast vollständig.

Damit sind wir auch bereits am Kern der Geschichte angekommen, der sich im Gegensatz zum Vorgänger allein um Bens Situation und die Auswirkung der Gesellschaft auf ihn konzentriert. Beim fünften Kind war es noch die Auswirkung von Ben auf die Gesellschaft. Diese umgekehrten Verhältnisse irritieren anfangs, denn ebenso wie die Autorin im ersten Teil uns Aufschlüsse über Bens Innenleben verweigerte, geht sie in diesem Buch nicht darauf ein, wie es Ben möglich gewesen war, Kontrolle über sich zu erlangen, was man von einer direkten Fortsetzung wahrscheinlich erwartet hätte.

Formal und sprachlich gibt es keine großen Unterschiede zum ersten Teil. Auch in Ben in der Welt versagt uns die Autorin Kapitel und spart mit jeglicher Textformatierung. Dafür hat sie eine Vorliebe für überaus komplexe Satzgebilde entwickelt. Da darf sich schon mal ein einzelner Satz auf Seitenlänge dahinschlängeln. Trotzdem gelingt es der Autorin die Aufmerksamkeit des Lesers bis zum Schluss hin aufrecht zu erhalten und einen weitreichenden Spannungsbogen zu erzeugen. Interessant ist auch die Einführung von Nebenfiguren, die, wenn sie ihre textliche Aufgaben erfüllt haben, mit ein paar wenigen Sätzen - manchmal reicht auch schon ein Nebensatz - wieder aus der Geschichte entfernt werden. Auf diese Weise konzentriert sich die Autorin immer wieder aufs Neue auf den eigentlichen Protagonisten, der immer mehr seine Rolle als - und das wird schnell klar - tragischer Held ausfüllt.
 


Mittwoch, 3. Juli 2013

Justin C. Skylark: Träume ... alles anders / Leere Augen

Träume ... Alles anders / Leere Augen
Justin C. Skylark
Broschiert: 230 Seiten
Verlag: dead soft verlag;
Auflage: 3., Aufl. (März 2003)
ISBN-13: 978-3934442160


Klappentext


Das Leben auf der Straße hat für Craig und Dawn ein Ende gefunden. Doch die erhoffte Ruhe und eine sorgenfreie Zukunft bleiben dennoch aus...
Unvorhersehbare Ereignisse stellen die Liebe der beiden jungen Männer auf eine harte Bewährungsprobe...


Frankys Kritik


Die Fortsetzung von „Craig’s little Dawn“ fällt erwartungsgemäß unkonventionell aus. Denn endete das erste Buch relativ offen, konnte sich der Autor wohl selbst nicht recht für einen Ausgang des Buches entscheiden, weshalb er mit diesem Buch gleich zwei Fortsetzungen der Geschichte in einem Band präsentiert.

In der ersten – der Happy End Variante - haben Craig und Dawn das Unheil überstanden und stehen vor der Aufgabe, ein gemeinsames Leben in Angriff zu nehmen. Geld verdirbt den Charakter scheint der Autor als Leitfaden gewählt zu haben und tatsächlich droht die Liebe der Beide an dem großen Erbe Craigs zu zerbrechen. Der Rückweg in eine bürgerliche Welt ist nicht nur gespickt mit Schwierigkeiten und Stolpersteinen, sie entpuppt sich auch als nicht moralischer, als das Leben war, das die beiden Jungs hinter sich zu lassen versuchen. In dieser Erzählung wechselt das Sujet vom reinen (Sozial-)Drama hin zu krimihaften Strukturen, die durchaus Spannung aufkommen lassen. Aber durch die Kürze der Erzählung verbleibt das Geschehen nurmehr an der Oberfläche verhaftet.

In der zweiten Variation ist Craig gestorben und Dawn muss ohne seine große Liebe alleine weiterleben. Diese erheblich kürzere Erzählung ist dem Autor deutlich dichter gelungen. Sie weist nicht nur denselben, verzahnten Erzählcharakter des ersten Buches auf, sie setzt auch dessen Stimmung fort und bleibt dem Genre Drama treu. Zudem erscheint es mir die realistischere und konsequentere Fortführung zu sein. Ich vermeide bewusst den Begriff „Fortsetzung“, denn „Leere Augen“ lässt sich eher als Ausklang des ersten Buches verstehen, als Kontinuität des Unausweichlichen. Der Kriminalfall „Alles anders“ wirkt – so sehr man den beiden Charakteren alles erdenkliche Glück auf Erden wünscht – eher als Fremdkörper, das fortgeführte Happy End irgendwie aufgesetzt und unnatürlich. Deshalb bevorzuge ich die traurige Variante. Doch das kann jeder Leser für sich selbst entscheiden. Aus diesem Grund hat der Autor schließlich beide Varianten vorgesehen.