Samstag, 31. August 2013

Sergej Lukianenko: Wächter des Tages

Wächter des Tages
Sergej Lukianenko

Taschenbuch: 528 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (6. März 2006)
ISBN-13: 978-3453532007



 
Klappentext

Vampire, Gestaltwandler, Hexen, Magier - seit ewigen Zeiten leben die sogenannten "Anderen" unerkannt in unserer Mitte. Und seit ewigen Zeiten stehen sich die Mächte des Licht und die Mächte der Finsternis unversöhnlich gegenüber, zurückgehalten nur durch einen vor Jahren geschlossenen Waffenstillstand. Zwei Organisationen - den "Wächtern der Nacht" und den "Wächtern des Tages" - obliegt es, das empfindliche Gleichgewicht der Kräfte aufrecht zu erhalten. Doch nun droht dieses Gleichgewicht zu kippen und die Welt ins Chaos zu stürzen ...


Frankys Kritik

Der Klappentext ist derselbe wie zum ersten Band. Da hat es sich der Verlag recht leicht gemacht. Lukianenko ebenfalls: Er behält die Dreiteilung bei, wechselt aber die Seite und berichtet dieses Mal überwiegend aus der Sicht der dunklen Anderen.

Geschichte 1: Zutritt für Unbefugte erlaubt
Alissa, dunkle Hexe und ehemalige Geliebte Sebulons, dem Anführer der Tagwache Moskaus, soll sich nach einem Kampf mit der Nachtwache als Betreuerin im Jugendlager Artek erholen und ihre Kräfte zurückgewinnen. Gleiches gilt für den lichten Magier Igor. Ohne von ihrer Herkunft und Zugehörigkeit zu wissen, verlieben sich die Beiden ineinander. Als ihre Kräfte zurückkehren und so ihre Identitäten offenbart werden, bahnt sich ein Drama an.

Geschichte 2: Fremd unter Anderen
Ein Unbekannter ohne Gedächtnis, aber mit einem Koffer voll Geld und ungeahnten Kräften zieht es auf seltsame Weise nach Moskau. Tag- wie Nachtwache werden auf ihn aufmerksam und rätseln gemeinsam, was es mit dem Fremden auf sich hat, dessen Kräfte stetig wachsen. Zugleich wird von Sektierern die Kralle Fafnirs – dem Drachen aus dem Nibelungenlied - nach Moskau getragen. So bahnt sich von mehreren Seite Unheil an.

Geschichte 3: Eine andere Kraft
In Prag tritt die Inquisition zusammen, um im Streit zwischen Lichten und Dunklen den Vorfall zwischen Alissa und Igor aus der ersten Geschichte zu beleuchten und Sebulons Wirken im Zusammenhang mit der Kralle Fafnirs aus der zweiten Episode. Anton, Hauptfigur aus „Wächter der Nacht“ vertritt die Nachtwache und Edgar, dunkler Magier, die Interessen der Nachtwache. In diesem Duell treten Erkenntnisse ans Tageslicht, die die Ereignisse des ersten Buches in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Anders als bei den Wächtern der Nacht fungiert der Ermittler Anton dieses Mal nicht als verbindender Ich-Erzähler und er tritt auch erst in der dritten Geschichte in Erscheinung. Aus diesem Grund wirkt das zweite Buch auch noch fragmentarischer als es bereits das Erste getan hat. Lukianenko geht es diesmal mehr darum, die Rolle der Dunklen stärker zu beleuchten und die Inquisition als vermittelnde und kontrollierende Kraft darzustellen.

„Wächter des Tages“ ist damit nicht ganz so stark wie sein Vorgänger, aber allemal faszinierend und – soviel sei bereits vorweggenommen – eine unerlässliche Vorbereitung auf den nächsten Band.


Sonntag, 25. August 2013

Alec Cedric Xander: Secret Love

Secret Love
Alec Cedric Xander

Taschenbuch: 512 Seiten
Verlag: Production House GmbH 
Abtl. Himmelstürmer Verlag (24. Januar 2012)
ISBN-13: 978-3863610883


Klappentext

Das Leben verläuft nicht immer nach Wunsch.

Ein verzweifelter Schüler, der sich auf tragische Art und Weise das Leben nimmt, eine alkoholkranke Mutter, die sich einen Dreck um ihren Sohn kümmert, ein homophober Lehrer, der seine Schüler bei jeder Gelegenheit schikaniert und zwei Liebende, die sich nicht lieben dürfen.

Jasons Leben ist alles andere als leicht. Der ungewollt extravagante sechszehnjährige Zehntklässler ist unbeliebt, hat Probleme mit seiner schwer depressiven Mutter und verliebt sich dann allen Übels auch noch in seinen neuen Nachbarn Nick. Anfangs zeigt Nick Interesse, doch das ändert sich nach einem kleinen Zwischenfall schnell. Plötzlich scheint Nick mit seiner Klassenkameradin Karuna, die Jason und seine beste Freundin Anna keineswegs leiden können, zusammen zu sein. Sie küssen sich, fummeln vor seinen Augen miteinander herum und Nick lässt die Beleidigungen, die seine Freundin Jason an den Kopf wirft, auch noch zu. Doch schnell wird klar, dass es einen Grund für Nicks seltsames Verhalten gibt. Ricardo, Nicks Vater. Er versucht alles, um seinen Sohn von Jason fernzuhalten und ihm ist es egal, was Nick will oder empfindet. Was er sagt, ist Gesetz und wer nicht gehorcht, der wird bestraft …


Frankys Kritik

Der junge Autor hat mit Secret Love sein Erstlingswerk herausgebracht, das, durchaus spannend und unterhaltend daherkommt.Somit sind selbst die gut fünfhundert Seiten schnell gelesen. Kritik möchte ich hauptsächlich bei drei Punkten anbringen:

Der größte Kritikpunkt besteht darin, dass der Autor zu viel auf einmal möchte. Mobbing in der Schule, Amoklauf, Suizid, alkoholkranke Mutter, prügelnder Vater, homophobe Lehrer und noch vieles mehr – die Vielzahl überfrachtet die Geschichte und dabei verbleibt der Autor bei allen Themen nur an der Oberfläche. Das wirkt dann stellenweise leider klischeehaft und auch wenig glaubwürdig.

Dazu tragen auch einige sprachliche und erzähltechnische Defizite bei. Dialoge verharren ein ums andere Mal in Belanglosigkeiten. Der Autor beschränkt sich auf die Beschreibung des Alltäglichen, anstatt uns die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten näherzubringen. Dadurch ergeben sich auch einige Wiederholungen (in der Klassengemeinschaft, zwischen Schüler und Lehrer, in der Clique untereinander), die die Geschichte ausufern lassen ohne sie weiterzubringen. Der fünfte verbale Angriff eines Lehrers, die siebente Züchtigung durch den Vater, der zehnte Tränenausbruch eines gedemütigten Jungen, ohne Konsequenzen der handelnden Personen oder Reflexionen über das Verharren in stereotypen Mustern.

Das häufige Wechseln der Erzählperspektive, auch innerhalb eines Absatzes oder sogar Satzes trägt nicht zur Übersichtlichkeit bei, was des öfteren auch für die ultra knapp gehaltenen Dialoge gilt, die sich, teilweise nur aus einzelnen Worten oder Satzfragmenten bestehend, über die Seiten schlängeln.

Trotz alldem, und das möchte ich an dieser Stelle extra betonen, zieht die Geschichte seinen Leser in den Bann. Vergleichbar mit einer Seifenoper verleibt man sich ein Kapitel nach dem anderen ein, um zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht. Schade ist, dass die Geschichte so viel mehr Potenzial besitzt, das unausgeschöpft bleibt und sich der Autor stattdessen mit einem Zuviel an Drama umgibt. Manchmal ist weniger einfach mehr.



Sonntag, 18. August 2013

Frank Goyke: Der kleine Pariser

Der kleine Pariser
Frank Goyke

Taschenbuch: 161 Seiten
Verlag: Goldmann (1999)
ISBN-13: 978-3442442225


Klappentext

Dietrich Kölling ärgerte sich. Ihn langweilte es, am Schreibtisch zu sitzen, ein Pult mit Telefonen zu hüten und Papiere zu sortieren. Aber Verbrecher langweilten ihn auch, ihr Geschwätz von der grausamen Kindheit, mit dem sie sich zu Opfern erklärten, all ihre Rechtfertigungsversuche und Verharmlosungsstrategien. Das Sächsisch des Anrufers brachte ihn auf die Palme.

Dietrich Kölling stammte aus Hannover und hasste das schmutzige und kaputte Leipzig, in das es ihn verschlagen hatte, weil die Politiker unbedingt Polizisten aus Westdeutschland an die Ostdeutschen verschenken wollten, er hasste diese Stadt, in der der verzweifelte Beamte versuchte, das aufzuklären, was verzweifelte Menschen anderen Verzweifelten angetan hatten.


Frankys Kritik

Die Krimireihe um den Kripo-Kommissar Kölling zählt bereits acht Bände. Dies ist das erste Buch und damit auch der erste Fall des mürrischen, übergewichtigen Polizisten. Zwei Morde, beides Gäste einer Leipziger Schwulenbar, beschäftigen Kölling. Der dritte Mord steht kurz bevor. Das zukünftige Opfer: ein schmächtiger Strichjunge mit französischen Wurzeln entgeht dem ersten Angriff, wagt es aufgrund seiner Lebensumstände aber nicht, sich an die Polizei zu wenden und handelt auf eigene Faust.

Ein kurzer Roman, der weniger durch Spannung, als vielmehr von dem Wechsel der Perspektiven fasziniert und den Leser bis hin zum überraschenden Ende bei der Stange hält. Die Figuren des Kommissars und seinem Kollegen Becker bleiben noch ein wenig blass und verhalten im Hintergrund, haben aber in den nächsten Büchern noch genügend Zeit und Raum, um sich zu entfalten. Hier stellen sie die Staffage für die zahlreichen Widersprüche und Gegensätze: Ost-Polizei / West-Kommissar, Täter / Opfer, Stricher / Freier, Moral / Moral (?).

Der Krimi liest sich flott weg, die Aussprüche Köllings sind höchst amüsant, das Sujet ist interessant gewählt und nach Abschluss des Falles (der nicht unbedingt jedermanns Sache ist) bleibt man ein wenig irritiert zurück. Man wünscht man sich, mehr zu lesen, weil man im Grunde zu wenig von allem erfahren hat. Doch da kann der Autor rasch weiterhelfen, denn sieben Fälle liegen noch vor Kölling.



Mittwoch, 14. August 2013

Inger Edelfeldt: Jim im Spiegel

Jim im Spiegel
Inger Edelfeldt

Taschenbuch: 245 Seiten
Verlag: Ravensburger Buchverlag;
Auflage: 1 (1. März 1998)
ISBN-13: 978-3473580545


Klappentext

Statt eines Klappentextes die Begründung der Jury für den deutschen Jugendbuchpreis 1986:

Jim ist ein Außenseiter, der viel zu erleiden hat, obwohl seine Schulleistungen glänzend sind. Bis zum Abitur findet er niemanden, dem er sich mit seinen Problemen anvertrauen könnte. Doch dann taucht ein älterer Freund auf, der ihn liebt und sich bemüht, Jims Selbstbewusstsein zu stärken. Das kenntnisreiche und einfühlsame Buch gestattet tiefe Einblicke in das Empfinden eines jungen Homoerotikers.

Ein Roman, der ein in unserer Jugendliteratur bisher fast tabuisiertes Thema überzeugend gestaltet. (Ab 15)


Frankys Kritik

Allein die Wortwahl „jungen Homoerotikers“ lässt mich tief durchatmen im Mief der 80er Jahre. Löblich, dass es für dieses Buch überhaupt den Jugendbuchpreis gab. Trotzdem möchte ich es dem heutigen Coming Out geplagten Jugendlichen nicht unkommentiert in die Hand drücken. Denn dieses Buch zeigt eigentlich konsequent auf, was beim Coming Out – und dem Weg dorthin – alles schieflaufen kann. Klassenkameraden, Eltern, Lehrer, Psychologen, in „Jim im Spiegel“ versagen sie alle durch die Bank und man möchte viel eher diesen Personen dieses Buch in die Hand drücken, um ihnen vor Augen zu führen, wofür ihr Handeln verantwortlich ist. Denn Jims Geschichte ist ein langer Leidensweg, aus dem er erst mit der eigenen, hart erkämpften Emanzipation, dem Auszug aus dem Elternhaus und dem Bruch der gesellschaftlichen Konventionen einen Ausweg findet. Das Ende der Schulzeit, das Erreichen der Volljährigkeit und das damit verbundene Erlangen erstmaliger Selbstbestimmtheit bieten Jim eine Wahl und die Möglichkeit der Selbstfindung. Ein Vorgang, der ihm in all den Jahren seiner Kindheit und Jugend nicht gestattet war.

Formal beginnt jedes Kapitel mit einem kurzen Statement von Jims Mutter, die die jeweils anstehenden Ereignisse und Begebenheit aus ihrer Blickweise vorab kommentiert, eine Sicht, die meist durch Jims Bericht über diesen Lebensabschnitt demontiert wird. Schön, dass kein Auslöser, keine Ursache, kein Grund für Jims Homosexualität herangezogen wird. Ein Umstand, der in den beginnenden 80ern keinesfalls selbstverständlich war. Es ist ergibt sich für Jim über der Jahre von Kindheit und Jugend auch kein langsamer Erkenntnisprozess, sondern ein allmähliches und kaum wahrnehmbares Hereinwachsen in eine schon immer vorhandene Realität.

Da ihm jedwede Unterstützung von Elternhaus und Schule ebenso fehlt, wie das Vorhandensein irgendwelcher Freundschaften – mediale Informationen zu diesen Thema waren in jener Zeit faktisch nicht existent, flüchtet sich Jim freiwillig in die Außenseiterrolle eines Strebers. Aufkommenende Ahnungen schottet er konsequent vor sich ab. Erst als er nach Abschluss der Schule gezwungen ist, sein Leben irgendwie neu zu ordnen, lässt er ganz unerwartet eine Liebesbeziehung zu einem älteren Jungen zu, die ihm schließlich die Möglichkeit zum Ausbruch bietet.

Eine Geschichte, die auch heute noch schwer im Magen liegt, anschaulich geschrieben und mit einem noch heute gültigen Realismus versehen. Kein Wohlfühlbuch, aber ein Buch, dass sich immer noch zu lesen lohnt.



Dienstag, 6. August 2013

Ralf König: Elftausend Jungfrauen

Elftausend Jungfrauen
Ralf König

Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: Rowohlt; Auflage: 1. (21. September 2012)
ISBN-13: 978-3498035587


Klappentext

Mit sage und schreibe elftausend Jungfrauen geht die britannische Prinzessin Ursula um 300 nach Christus auf große Fahrt gen Rom, weil sie standhaft keusch bleiben und nicht heiraten will. Und das soll bitte schön der Papst absegnen! Die Rückreise führt die Mädels den Rhein entlang nach Colonia, und wie der liebe Gott es so will: Die Stadt wird gerade belagert von den gefürchteten Hunnen, die in Sachen Benimm gegenüber Frauen recht ungeübt sind … Der Legende zufolge erlitten die frommen Jungfern vor den Toren Kölns das Martyrium. Ralf König fügt den zahlreichen Legendenversionen um die Schutzheilige der Stadt mit seinem neuen Comic eine weitere hinzu, gewürzt mit sozialethisch desorientierten Heiden, sadomasochistischen Klosterbrüdern und wohlgeformten Barbaren, und den Jungfrauen blubbern die Hormone vor lauter christlichem Keuschheitsgelübde aus den 22 000 Nasenlöchern.


Frankys Kritik

Trotz Rowohltverlag, in welchem dieser Comic als Hartcover erschien, gibt sich Ralf König recht explizit. Nachdem der Autor und Zeichner sich in seiner letzten Trilogie theologischen Themen zugewandt hatte, bleibt er in diesem Buch dem Sujet grundsätzlich treu, spricht aber vor allen Dingen die Sex- und Lustfeindlichkeit der katholischen Kirche an, mit all ihrer Doppelmoral und Triebersatz in Form von sadomasochistischer Selbstgeißelung. Die Legende der heiligen Ursula nimmt König zum Anlass, um Nonnen und Priester aufs Korn zu nehmen und ganz nebenbei die Entstehung des Kölner CSD ins 4. Jahrhundert vorzuverlegen. Das alles ist natürlich nicht bierernst zu nehmen und auf die satirische Spitze getrieben, lässt sich aber genauso mit Vergnügen delektieren, wie seine Geschichten aus der schwulen Szene.

Zeichnerisch empfinde ich die in Grautönen gehaltene Kolorierung sehr gelungen und zum Thema passend. Auch gelingt es König mit diesem Band, wieder ein paar neue Knollennasentypen aus der Feder zu schütteln. Selbst die Hintergründe, ob Landschaft oder Architektur lassen die Blicke zwischen den manchmal beachtlich umfangreichen Sprechblasen schweifen. Die textlichen Überleitungspassagen zwischen den Kapiteln im Kölner Dialekt lassen sich zwar nicht immer einfach lesen, spätestens beim lauten Vorlesen erschließt sich aber ihr komödiantischer Sinn.

Zusammengefasst ein ungewöhnlicher König, aber trotz allem ein typischer, der zwar keine Lachstürme entfesselt, den Leser aber anhaltend kichern lässt.